Der Crash vom 5. August 2024
„Selbst der kluge Investor braucht wahrscheinlich beträchtliche Willenskraft, um der großen Masse zu wiederstehen.“
Benjamin Graham
Die starken Marktturbulenzen Anfang August führten zu einer sehr großen Verunsicherung bei Anlegern weltweit. Am 5. August 2024 brachen weltweit verschiedene Indizes um zweistellige Prozentwerte ein. Aktien, Krypto-Anlagen und einigen Währungen erlebten heftige Kursrücksetzer. Dieses Datum wird wohl als schwarzer Montag in die Geschichte der Finanzmärkte eingehen.
Es gab eine Vielzahl von möglichen Begründungen: Die sich abzeichnende Rezession in den USA, die hartnäckige Weigerung der Federal Reserve, die Zinsen zu senken, der immer weiter eskalierende Konflikt im Nahen Osten und die Angst vor dem Platzen einer Spekulationsblase bei Technologieaktien. Für viele Experten könnten jedoch so. „Carry Trades“ der eigentliche Auslöser der heftigen Marktkorrektur gewesen sein.
Carry Trades
Bei einem Carry nehmen Anleger Kapital in einer Währung mit einem niedrigen Zinssatz auf (z.B. japanische Yen), um es in einer Währung mit höherem Zinssatz anzulegen (z.B. amerikanischer Dollar). Die Differenz zwischen den beiden Zinssätzen, der sogenannte „Carry“, ist die potenzielle Rendite für den Anleger.
Carry Trades sind eine sehr beliebte Anlagestrategie, denn sie bieten das Potenzial für überdurchschnittliche Renditen, insbesondere in Zeiten niedriger Zinsen. Gerade bei institutionellen Anlegern ist diese Handelsstrategie in den vergangenen Jahren sehr populär geworden, da sie aufgrund regulatorischer Vorschriften bspw. Risiken am Aktienmarkt nicht eingehen dürfe. Das Volumen dieser Carry-Trades dürfte sich über die Jahre hinweg auf einige Billionen US-Dollar aufgebaut haben.
Doch wie jede Anlagestrategie birgt auch der Carry Trade selbstverständlich Risiken. Hier ist insbesondere das Risiko von plötzlichen Wechselkursschwankungen zu nennen. Wenn die Finanzierungswährung gegenüber der Anlagewährung aufwertet, kann dies zu erheblichen Verlusten führen, die im schlimmsten Fall sogar das eingesetzte Kapital übersteigen können.
Yen-Aufwertung und Deleveraging
Im Juli 2024 hob die Bank of Japan (BoJ) überraschend den Leitzins um 15 Basispunkte auf insgesamt 25 Basispunkte an und erwischte damit viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß. Die Entscheidung der BoJ sticht insbesondere auch deshalb heraus, da die meisten anderen großen Zentralbanken in den vergangenen Monaten die Zinsen entweder senkten oder auf einem niedrigen Niveau hielten, um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen.
Die Änderung der BoJ-Politik führte zu einer Aufwertung des Yen gegenüber anderen Währungen. Da der Yen sehr häufig für Carry Trades genutzt wird, resultierten daraus potenzielle Bewertungsverluste für bestehende Carry-Trade-Positionen. In der Folge mussten viele Investoren ihre Carry-Trade-Strategien anpassen. Dies löste eine große Welle an Deleveraging aus. Beim Deleveraging müssen viele Marktteilnehmer ihre Verschuldung (Leverage) rasch reduzieren, indem sie Kredite zurückzahlen oder Vermögenswerte verkaufen.
Auch innerhalb einer Carry-Trade-Strategie müssen Anleger ihre Positionen auflösen. Mit einem Mal wollten sehr viele Menschen durch eine viel zu kleine Tür. Kapitalanlagen in Dollar, Euro oder anderen Währungen wurden aufgelöst und das Geld in Yen getauscht. Die Folge war ein massiver Verkaufsdruck in vielen risikoreichen Anlageklassen, eine deutliche Aufwertung des Yen innerhalb kurzer Zeit und die Flucht in sichere Häfen der Kapitalanlage, allen voran US-Staatsanleihen. Der japanische Standardaktienindex NIKKEI 225 hatte am Montag, den 5. August mit mehr als 12 Prozent den größten Kursverlust innerhalb eines Tages seit 1987 zu verzeichnen.
Nach Angaben verschiedener amerikanischer Investmenthäuser sollten mittlerweile rund 75 Prozent der relevanten Carry Trades aufgelöst sein. Zwar spricht die absehbar sinkende Zinsdifferenz zwischen dem US-Dollarraum sowie anderen Regionen und Japan für eine weitere Aufwertungstendenz des Yen, allerdings dürften ähnlich heftige Bewegungen wie Anfang August ausbleiben.
Bei den heutzutage vorherrschenden hohen Interdependenzen an den Kapitalmärkten kann sich eine solche Welle selbst verstärken, da fallende Kurse weitere Anleger zum Auflösen ihrer Positionen zwingen und somit den Verkaufsdruck weiter erhöhen. Zusammen mit dem schwachen Arbeitsmarktbericht aus den USA einige Tage zuvor kam es dann zu dem massiven Verkaufsdruck an den Kapitalmärkten.
Volkswirtschaftliche Zahlen lassen dennoch hoffen
Klar ist, dass die US-Wirtschaft weiter abkühlt. Auch in Europa und China deuten viele Frühindikatoren, Einschätzungen zum Geschäftsklima und Industrieproduktionszahlen eine weitere Abkühlung an. Die entscheidende Frage bleibt weiterhin, ob der Weltwirtschaft ein Softlanding gelingt oder ob sie stärker einbricht.
Der überraschende Anstieg der Arbeitslosenquote in den USA ist auch auf einen Anstieg des Arbeitskräftepotenzials zurückzuführen. So haben zuletzt wieder mehr Menschen erstmals seit längerer Zeit aktiv Arbeit gesucht und sind dadurch in den Statistiken neu erschienen. Allerdings dürfte die noch robuste Entwicklung im Dienstleistungssektor eine größere Entlassungswelle und damit einen deutlichen Einbruch des privaten Konsums verhindern.
Zudem sind im laufenden Jahr tatsächlich noch einige Leitzinssenkungen vonseiten der Fed zu erwarten, wodurch die Wirtschaft entlastet werden sollte. Nicht zuletzt sind Wahljahre in der Regel positive Aktienmarktjahre, denn die Versprechungen des oder der neuen Präsidentin fallen zumeist positiv aus. Auch in Europa und in China ist angesichts des abnehmenden Inflationsdrucks und der schwachen Wirtschaftsentwicklung mit Zinssenkungen und ggf. fiskalischen Stützungsmaßnahmen zu rechnen, so dass die Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung in den kommenden Quartalen die Aktienkurse zusätzlich stützen dürfte.
Portfolioausrichtung
Eine Zinssenkung in USA wird wohl mit nahezu absoluter Sicherheit auf der nächsten Fed-Sitzung am 18. September beschlossen werden. Das signalisiert u.a. der sog. „Dot Plot“ der Fed. Der „Dot Plot“ ist eine grafische Darstellung der individuellen Zinsprognosen der 18 Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC). Die Frage lautet eigentlich nur noch: Kommt eine Zinssenkung um 0,25 % oder 0,5 %?
Seit Monaten galt an den Börsen die Regel, dass schwache Konjunkturdaten die Aktienkurse beflügelten, denn sie erhöhten die Wahrscheinlichkeit früherer und stärkerer Zinssenkungen durch die US-Notenbank Fed. Diese Sichtweise galt in der Korrekturphase durch die Carry Trades plötzlich nicht mehr. Die Angst vor einer Rezession und damit sinkenden Unternehmensgewinnen gewann die Überhand.
Unerfahrene Marktteilnehmer halten jede Zinssenkung für eine gute Nachricht im Hinblick auf die Aktienmärkte. Aber nicht jede Zinssenkung ist immer als „bullish“ für Aktien anzusehen. Es kommt vielmehr auf die Interpretation des Zinsschrittes durch die Kapitalmärkte an. Gehen die Zinsen ausschließlich runter, weil der Inflationsdruck nachlässt, dann wäre diese Sichtweise „bullish“ für Aktien. Müssen die Zinsen jedoch runter, weil der Arbeitsmarkt schlecht läuft (hohe Arbeitslosigkeit) und damit auch die Konjunktur ins Stottern gerät, wäre diese Sichtweise „bearish“ für Aktien. In diesem Szenario werden Risikoassets unter Druck geraten.
Schwankungen (auch stärkere) dürften den Kapitalmärkten in den kommenden Monaten also wohl erhalten bleiben. Zumal auch wichtige politische Ereignisse, wie die Wahl in den USA, bereits ihre Schatten vorauswerfen und durchaus das Potential haben die Nerven der Anleger auf die Probe zu stellen.
Wir haben die Aktienquoten in der letzten Korrektur um etwas mehr als 10 % angehoben. Mit ca. 75 % Aktienquote im Flexiblen Modellportfolio sind wir jetzt wieder neutral aufgestellt. Auch in den Modellportfolien Dynamik und Sparplan liegt die Aktienquote mit ca. 90 % im neutralen Bereich.Sollten die Anzeichen einer sich stärker abkühlenden Weltwirtschaft erhärten, werde ich die Aktienquoten wieder etwas reduzieren.
Haben Sie Mut für das Investment in Aktien!