„Politische Börsen haben kurze Beine.“ (Börsenweisheit)
Da unsere Gesellschaft mittlerweile jeden Anlass mit inflationären Schlagwörtern überhäuft, wird es immer schwieriger Wichtiges von Unwichtigen zu unterscheiden. Natürlich erleben wir auch diesmal in den USA einen Wahlkampf der Extreme. Die zum Teil sehr hitzigen Debatten um die Positionen der beiden Kandidaten lässt vermuten, dass es sich erneut um eine Schicksalswahl für die Welt handelt.
Doch welche Auswirkungen wird der Wahlausgang tatsächlich haben? Für die Kapitalmärkte dürfte es, aus meiner Sicht, weit weniger Folgen haben, als die Schlagzeilen in den vergangenen Monaten es vermuten lassen. In der Vergangenheit hat sich immer gezeigt, dass die politischen Machtverhältnisse langfristig für die Märkte nur eine geringere Rolle spielen. Grund: An der Börse zählen langfristige Unternehmensdaten und dabei vor allem die Gewinnentwicklung und Strategie von Unternehmen.
Mittlerweile gehen viele Experten von einem Wahlsieg von Clinton aus. Durch die Besonderheiten des US-amerikanischen Wahlsystems und die Eskapaden Trumps dürfte dies durchaus eine plausible Einschätzung sein. Ein weiterhin möglicher Wahlsieg von Trump oder auch weitere unvorhersehbare Entwicklungen würden an den Kapitalmärkten kurzfristig für sehr starke Verwerfungen sorgen.
Viele Kapitalmarktexperten gehen in ihrem Basisszenario weiterhin von einer „geteilten Regierung“ aus, also Präsident und Mehrheit des Kongresses gehören nicht derselben Partei an. Momentan sind beide Kammern des US-Kongresses in der Hand der Republikaner. Sollte es zu einem überlegenen Wahlsieg von Clinton kommen, könnten die Demokraten evtl. den Senat wieder zurückerobern. Das „Lower House“ (das Repräsentantenhaus) wird wohl weiterhin republikanisch bleiben. Ein demokratischer Senat würde aber dennoch die Chance für Clinton erhöhen, einen größeren Teil ihres Wahlprogrammes durchsetzen zu können.
Einige politische Ankündigungen der beiden Kandidaten für das Weiße Haus finden Sie in der folgenden Tabelle. Besonders bemerkenswert dürfte sein, dass beide Kanditen insgesamt höhere fiskalpolitischer Ausgaben anstreben. Da sehr viele Bewegungen, die in den USA beginnen, sich schnell auch auf andere Teile der Welt ausbreiten, muss man diese Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Inflation verstärkt im Auge behalten.
Clinton | Trump | |
Staatsausgaben |
|
|
Steuerreform |
|
|
Internationaler Handel |
|
|
Gesundheit |
|
|
Finanzmarktregulierung |
|
|
Einwanderung |
|
|
Quelle: Fidelity Investment, Oktober 1016
Das fast 8 Jahre nach dem Ende der letzten Weltwirtschaftskrise der Populismus weltweit einen unübersehbaren Siegeszug hinlegt, sollte uns jedoch allen zu denken geben. In den USA herrscht, trotz merklichen Aufschwungs der vergangenen Jahre, Misstrauen und Verbitterung in weiten Teilen der Gesellschaft. Dieses Phänomen lässt sich mittlerweile überall auf der Welt deutlich erkennen. Parteien wie die AFD, Podemos, Front National u.v.m. profitieren zunehmend von dieser Entwicklung.
Mögliche Wahlsiege von Populisten und andauernde Krisen im Bankensektor sind Phänomene, an die wir uns als Investoren wohl zunehmend gewöhnen müssen. Das Schüren von Ängste vor Veränderungen in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen trifft zu oft auf fruchtbaren Boden. Diesen Ängsten zu begegnen und ein positives Bild der Zukunft zu zeichnen, stellt eine der größten Herausforderungen der politischen Systeme dar.
Die Finanzwelt bleibt fragil
Was wird die Märkte in den kommenden Monaten tatsächlich bewegen? Auch wenn es an den Märkten in den vergangenen Monaten, trotz sehr viele Unsicherheiten (z.B. Brexit, Krieg in Syrien usw.) eher ruhig verlief, bleibt die Finanzwelt weiterhin fragil und kann jederzeit von Krisen erschüttert werden. Einige wichtige Faktoren möchte ich hier kurz beschreiben.
Mittlerweile läuft der aktuelle wirtschaftliche Aufschwung bereits seit einigen Jahren. Trotz geänderter Rahmenbedingungen (Wegfall des Zinses) muss man wohl davon ausgehen, dass dieser Konjunkturzyklus sich durchaus bereits in einer reifen Phase befindet. Auch wenn es z.Zt. nicht danach aussieht, darf man eine weltweite Rezession in den kommenden Jahren nicht vollkommen ausschließen. Im jüngsten „World Economic Outlook“ äußert der IWF unlängst Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung in den USA und der Welt insgesamt. Auch könnte das kreditfinanzierte Wachstum in China den Börsianern wieder Sorgen bereiten, sollten erneut Zweifel am dort stattfindenden Transformationsprozess und der Stärke der chinesischen Wirtschaft aufkommen. Kapitalmärkte nehmen solche Entwicklungen immer vorweg. Sollten sich die Anzeichen vermehren, dass die ohnehin schwache Weltwirtschaft weiter an Fahrt verliert, könnte dies zu starken Kursverlusten bei Aktien führen.
Die Reife des Konjunkturzyklus lässt sich in den USA auch an der dortigen Kreditvergabe erkennen. In vielen Bereichen (Konsumkredite, Kreditkarten, Immobilienkredite usw.) scheinen sich die Fehler, die zur letzten Finanzkrise geführt haben, ohne Lerneffekt zu wiederholen. Die Qualität der Kreditnehmer nimmt rapide ab und große Finanzinstitute bündeln diese schlechten Kredite erneut in Finanzprodukten, die wieder einmal von renditehungrigen Anlegern aufgrund ihres vermeintlich geringen Risikos gekauft werden. Erneut könnte sich eine sehr gefährliche Situation aus Unwissenheit und Gier zusammenbrauen.
Die weltweit ansteigenden Staatsschulden stellen zunehmend ein erhebliches Risiko für die Weltwirtschaft dar. Eine Rückkehr zur Disziplin bei den Ausgaben ist ebenso wenig erkennbar wie eine Änderung der Geldpolitik, die diese Staatsverschuldung tatkräftig finanziert. Die Notenbanken kaufen die Staatschulden auf und drücken damit den Zins nach unten. Die Staaten müssen für neue Schulden nichts mehr bezahlen und geben immer mehr Geld aus.
In Japan (ein Land mit einer Staatsverschuldung von knapp 250 % des Bruttoinlandsproduktes) hält die Notenbank 31 % aller Staatsschulden. In Großbritannien sind es bereits 25 % und in Deutschland hält die Bundesbank im Jahr 2017 schätzungsweise wohl 16 % aller deutschen Staatsschulden. Dass diese Quoten in Zukunft noch weiter steigen, ist durchaus nicht unrealistisch. Mittlerweile sprechen daher immer mehr Finanzexperten von sog. Nettoschulden (Bruttoschulden minus Staatsanleihebestand der nationalen Notenbank) des Staates, da die von den Notenbanken gehaltenen Schulden sich ja de facto wieder im Besitz des Staates befinden. Diese Entwicklung gilt es genau im Auge zu behalten.
Weltweit gibt es heute Anleihen mit negativen Renditen im Wert von rund 15.600 Milliarden Euro. Eine unfassbar hohe Zahl. Sparer werden dadurch systematisch um ihre zukünftigen Ersparnisse gebracht. Dadurch wird eines der wichtigsten ökonomischen Postulate komplett auf den Kopf gestellt. Die Preise von Anleihen werden seit einiger Zeit nicht mehr durch ihren echten intrinsischen Wert bestimmt, sondern folgen eher so etwas wie einer ‚Greater Fool‘-Theorie. Anleger kaufen Anleihen nur noch deshalb, weil sie annehmen, in Zukunft einen noch Dümmeren zu finden, der ihnen ihre Papiere zu einem noch höheren Preis abnimmt. Diese totale Abkoppelung von Wert und Preis stellt ein enormes Risiko für die Kapitalmärkte dar. Selbst kleine Renditesteigerungen bei Anleihen – ausgelöst evtl. durch den nächsten Zinsschritt in den USA oder eine Nichtausweitung des QE Programms in Europa – könnte zu sehr heftigen Kursverlusten bei Anleihen führen.
Bei negativen Zinsen verlieren auch Banken jeden Tag Geld. Viele europäische Banken wurden nach der Finanzkrise mit einer Lawine an neuen Regulierungen überschüttet. Viele Geschäftsbereiche werden eingestellt, Risiko in die eigenen Bücher zu nehmen ist aufgrund der Vorschriften kaum mehr möglich und ganze Marktsegmente trocknen aus. Europa hat es (anders als die USA) verpasst, die wirklich relevante Größe, das Eigenkapital der Banken, entscheidend zu stärken.
So dürfte auch die Bankenkrise in Italien noch längst nicht ausgestanden sein. Das Land befindet sich in einer sehr schwierigen Situation. Unternehmen leiden unter der schwachen Konjunktur. Die Banken wiederum kriseln wegen notleidender Unternehmenskredite und können das Wachstum nicht durch neue Kredite ankurbeln. Vor dem Volksentscheid im November wird in Italien wohl keine Entscheidung über eine mögliche Rettung des italienischen Bankensystems geben. Eine unkontrollierte Krise der italienischen Banken könnte sich auf den gesamten europäischen Bankensektor ausweiten und zu entsprechend starken Kursverlusten an den Börsen führen.
Der nächste Zinsschritt in den USA steht wohl bevor. Die Fed befindet sich zunehmend in einem Teufelskreis, da die gegenseitige Abhängigkeit der Finanzmärkte und Notenbank ein zunehmendes Risiko darstellt. Die Abhängigkeit reduziert den Handlungsspielraum für die Notenbank. Sie muss sehr vorsichtig agieren, wenn sie keinen Kollaps der Finanzmärkte riskieren will. Gleichzeitig werden die Preise auf den Finanzmärkten durch die Notenbanken immer stärker verzerrt.
Dass die Maßnahmen der Geldpolitik zunehmen an ihre Grenzen stoßen und zum Teil wirkungslos verpuffen, führt dazu, dass die Notenbanken ihr Aufgabespektrum immer weiter ausweiten. Unbeirrt halten sie an ihrem Kurs fest. Der Schwund an verfügbaren Staatsanleihen ist einer der Gründe für die zunehmende Kreativität (Kauf von Unternehmensanleihen, Kauf von Aktien usw.) der Notenbanken. Die Geldpolitik befindet sich in einem riesigen Experiment. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie es ausgehen wird. Sollte es aber zu einem zunehmenden Vertrauensverlust der Marktteilnehmer in die scheinbare „Allmächtigkeit“ der Notenbanken kommen, wird dies zu riesigen Verwerfungen an den Kapitalmärkten führen.
Portfolioausrichtung:
In einer Anlagewelt, in der viele grundlegende Zusammenhänge nicht mehr gelten, wird es für Anleger immer schwieriger. Drei Strategien scheinen sich gerade bei den deutschen Sparern leider sehr großer Beliebtheit zu erfreuen.
Zahlreiche Anleger investieren weiterhin so, als hätte sich in den vergangenen Jahren nichts geändert. Sie setzen auf Sparbücher, Geldmarktkonten, Festgelder, langlaufende Anleihen und glauben unbeirrt an die Garantien der Versicherer, die den extremen Niedrigzinsen trotzen sollen. Alle Risiken dieser Anlagen (z.B. Vermögensverlust nach Inflation, zu geringere Rendite für einen Vermögensaufbau, enorme Kursverluste bei Anleihen, Bankpleiten usw.) werden gekonnt ignoriert. Getreu dem Motto: Was bisher nicht geschehen ist, wird auch in Zukunft nicht passieren. Diese „Truthahn-Anleger“ mögen keine Veränderungen, sie lassen sich täglich mit Null- oder Minuszinsen „füttern“ und leben zufrieden in ihrer Welt – zumindest bis Thanksgiving kommt. Und Thanskgiving wird kommen!
Andere Anleger bereiten sich ständig auf den „Weltuntergang“ vor. In ihrer Strategie spielen nur Anlagen eine Rolle, die zwar eine gewisse Sicherheit bringen, aber kaum Erträge. Dazu zählen etwa Bargeld, Gold, Diamanten und Immobilien. Auch wenn bei letzteren die Preise in den vergangenen Jahren weit stärker gestiegen sind als die Mieten und man somit auch an der Sicherheit von Immobilieninvestments zweifeln muss. Diese Anleger fühlen sich in sehr volatilen Phasen in ihrem Pessimismus bestätigt, aber sie schneiden sich von allen zukünftigen Renditemöglichkeiten ab.
Die dritte Gruppe investiert vorwiegend in sehr risikoreiche Investments, die vor allem durch ihre schönen Storys überzeugen. Die Story lenkt den unerfahrenen Anleger von den tatsächlichen Risiken ab. Sie sprechen den Wunsch dieser Anleger nach ansehnlichen Renditen ohne Risiko an. Dies ist und bleibt aber unmöglich! Das Risiko dieser Investments wird zumeist durch ihre Konstruktion bzw. das Wesen der Anlage zunächst verschleiert. Hierzu gehören Nachrangdarlehen, unternehmerische Beteiligungen an Projekten (z.B. Holz, erneuerbare Energien usw.), Kunst, Wein, Uhren u.v.m. Das Risiko wird zumeist erst beim tatsächlichen Verkauf sichtbar. Dann ist das Erstaunen der Anleger zumeist sehr groß, wenn diese Anlagen nur mit hohen Verlusten verkauft werden können.
Diese drei Strategien schaffen es nicht den Wunsch nach Sicherheit mit dem Anspruch auf auskömmliche Renditen zu verbinden. Das Geld muss auf verschiedene Anlageklassen verteilt werden. Die Anleger müssen bereit sein das Risiko von Schwankungen zu tragen. Diversifikation ist in einem solch fragilen Marktumfeld von ganz entscheidender Bedeutung. Nur wer verschiedene Bausteine sinnvoll in seiner Vermögensaufteilung kombiniert und flexibel auf Veränderungen reagiert, wird auch in Zukunft eine ansehnliche Rendite erzielen können.
Wir werden die Portfolien in den kommenden Wochen weiter in Bezug auf die aktuellen Herausforderungen dieses fragilen Marktumfeldes optimieren. Unser Augenmerk wird auf einer noch höheren Robustheit der Portfolien liegen.
Mit einer Jahresendrally an den Aktienmärkten rechnen z.Zt. nur wenige. Viele Marktteilnehmer sind sehr vorsichtig aufgestellt und halten überdurchschnittlich hohe Cash-Positionen. Gerade hier liegt die Chance. Sollten die Aktienmärkte steigen, werden viele institutionelle Investoren aufspringen müssen. Wir fahren aufgrund der Marktsituation (das Chance-Risiko-Verhältnis bei Aktien ist wesentlich besser als bei Anleihen) recht hohe Aktienquoten. Dies erreichen wir durch einen konsequenten Einbau gering korrelierter Positionen. Von einer möglichen Jahresendrally dürften wir also profitieren.
Das Thema der US-amerikanischen Leitzinserhöhung sehen wir relativ entspannt. Die Angst der Börsianer vor Zinserhöhungen ist übertrieben und statistisch gesehen nicht begründet. Eine Leitzinserhöhung deutet eigentlich an, dass es der Wirtschaft gut geht. Sollten die Unternehmensgewinne steigen, wird die Börse trotz Leitzinserhöhung (diese wird ohnehin nur gering ausfallen) Gewinne verzeichnen.
Die überraschende Einigung der OPEC-Staaten auf Drosselung der Fördermenge hat die Aktienmärkte weltweit vorübergehend beflügelt. Vor allem Aktien der Rohstoff- und Ölbranche reagierten mit einem Freudensprung. Aus unserer Sicht ist jedoch eine dauerhafte Wende des Ölpreises nach oben noch nicht erkennbar. Dies liegt zum einen daran, dass Länder, die nicht der OPEC angehören (z.B. Russland) seine Fördermenge nicht drosseln will. Zum anderen dürfte ein Preis, der dauerhaft über 50 US-$ liegt auch wieder zu einer Ausweitung der Ölförderung in den USA (Stichwort: Fracking) führen. Dass die Aktienmärkte positiv auf den Anstieg des Ölpreises reagierten zeigt, neben der abnehmenden Bedeutung von Öl im Wirtschaftskreislauf, auch die verzweifelte Suche vieler Investoren nach Gründen für Aktieninvestments.
Ihr
Sascha Knapp
Dipl.-Ökonom Sascha Knapp
SK Finance Consulting
20161024_bca_kapitalmarktanalyse_aktienmaerkte
20161024_bca_kapitalmarktanalyse_anleihenmaerkte
20161024_bca_kapitalmarktanalyse_makrooekonomische-kennziffern
20161024_bca_kapitalmarktanalyse_maerkte-im-ueberblick
Haftungsausschluss:
Die dargelegten Informationen stellen kein Angebot und keine Aufforderung zur Anlage- und Abschlussvermittlung, für Platzierungsgeschäfte, Anlageberatung von bzw. über Finanzinstrumente oder dem Kauf, Verkauf bzw. der Zeichnung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten dar. Ferner bieten diese Informationen keine Entscheidungshilfen für wirtschaftliche, rechtliche, steuerliche oder andere Aspekte einer Beratung und können eine anleger- und anlagegerechte Beratung durch einen Berater nicht ersetzen. Wertentwicklungen der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung.