Die vielen geopolitischen Spannungen (Ukraine, Russland, Syrien, Irak, Isis, Mittlerer Osten u.v.m.) und auch die mögliche Abspaltung Schottlands von Großbritannien beeinflussten die Kapitalmärkte in den vergangenen Wochen. Die dadurch verursachte Suche nach sicheren Anlagen (hier insbesondere Staatsanleihen mit Toprating) lassen die Anleihekurse weiterhin steigen. Jedoch zwingt die zunehmend schlechte Risk-Reward-Position bei Staatsanleihen, aufgrund der Niedrigzinsen, viele Anleger auch zur Suche nach Alternativen. Dadurch bleibt die Tiefzinspolitik der Notenbanken weiterhin die absolut dominante Einflussgröße an den Kapitalmärkten.
In der vergangenen Woche dürfte Mario Draghi wohl die meisten Marktteilnehmer überrascht haben. Der Leitzins sank um -10 BP auf 0,05 % und erreicht damit ein Allzeittief. Ebenfalls um – 10 BP wurde der Einlagensatz (für Einlagen bei der EZB) von -0,1 % auf jetzt -0,2 % gesenkt. Zudem wird die EZB ein großangelegtes Kaufprogramm für Kreditverbriefungen (ABS) und Pfandbriefe starten. Ziel hierbei ist es, Geschäftsbanken zur Vergabe von mehr Darlehen anzuregen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Vor allem die Wirtschaftseintrübung und Deflationstendenzen in der Eurozone dürften die EZB zu diesen Schritten veranlasst haben. Damit hat die EZB bei der „normalen“ Geldpolitik alle Spielräume ausgereizt.
Die Angaben zu diesem Kaufprogramm sind bislang noch recht vage. Laut EZB sollen nur Papiere mit „entsprechender Qualität“ erworben werden. Wie das mögliche Vorgehen der Notenbank in den kommenden Wochen genau aussieht, wird vielfach spekuliert. Der Markt für ABS Produkte ist nach der großen Finanzkrise recht stark geschrumpft. Ob es der EZB hier gelingen wird, eine ausreichende Anzahl an Papiere zu finden, die ihren Qualitätsansprüchen genügen, wird von vielen Experten bezweifelt. Evtl. ist dieses Programm lediglich nur die Vorbereitung zu einem schnellen Einstieg in ein tatsächliches, umfangreiches Quantitativ Easing (QE) durch den Ankauf von Staatsanleihen. Um dabei Diskussionen über die Qualität und eine versteckte Staatsfinanzierung der EU Peripherieländer zu umgehen, könnte die EZB ausschließlich deutsche Staatsanleihen aufkaufen. Dies muss auch nicht unbedingt zu der von der EZB nicht gewünschten Spreadausweitung innerhalb der EU führen, denn de facto gibt es durch die simple Aussage Draghi`s „Whatever it takes“ ja bereits schon eine Art „Eurobonds“. Nach einer anfänglichen Ausweitung der Spreads werden gerade institutionelle Anleger (diese müssen bestimmte Renditeziele erreichen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen) sehen, dass es für Anleihen anderer EU Länder (gerade auch in der Peripherie) höhere Renditen gegenüber einer Bundesanleihe für das „gleiche Risiko“ und die gleiche Eigenkapitalunterlage gibt und werden mit dem Kauf dieser Anleihen beginnen.
Das weitere Ziel der EZB, den Euro zu schwächen und so Exporte zu erleichtern wurde bislang deutlich erreicht. Der Euro hat gegenüber US-$ seit dem Jahreshoch von 1,3934 Euro je US-Dollar um über 7 % nachgegeben und notiert mittlerweile unter der Marke von 1,30. Der bereits im letzten Jahr von mir beschriebene Abwertungswettstreit der Währungen verschärft sich dadurch erneut. Wie die USA hierauf reagieren werden, bleibt abzuwarten.
Die Wirtschaft in Europa dürfte sich zwar in den kommenden Monaten langsam wieder von ihrer Wachstumspause erholen, aber insgesamt bleibt die Dynamik doch sehr schwach. Durch die notwendige Niedrigzinspolitik schwächt sich aber leider auch der Druck auf die Durchführung notwendiger Strukturreformen in vielen EU-Ländern stark ab. Die Länder (aber nicht nur in der EU Peripherie, sondern auch in Frankreich und ja, auch in Deutschland – man denke nur an das vollkommen falsche Signal der Rente mit 63 in einer Gesellschaft mit stetig steigender Lebenserwartung) können aufgrund der Niedrigzinsen diese unbequemen Reformen hinauszuzögern. Die Notenbank möchte aber mit allen Mitteln verhindern, dass es in Europa zu „japanischen Verhältnissen“ kommt und man in eine Deflationsspirale gerät.
Der Blick über den Atlantik zeigt ein vollkommen anderes Bild. In den USA brummt die Wirtschaft, die für Frau Yellen im Vordergrund stehende Arbeitsmarktdaten sehen sehr gut aus und die Wahrscheinlichkeiten für eine Zinsanhebung durch die Fed steigen zunehmend. Das komplette Auslaufen des Quantitativ Easing in den kommenden Monaten ist höchst wahrscheinlich. Wann genau es in den USA zu einer Zinserhöhung kommt, ist jedoch vollkommen offen. Die Einschätzungen von Experten reichen vom Anfang 2015 bis ins Jahr 2016. Aus meiner Sicht könnte es Mitte bis Ende 2015 soweit sein. Die Zentralbank möchte auf keinen Fall den Fehler machen, die Konjunktur durch eine zu frühe Zinsanhebung zu gefährden und dann die Zinsen erneut senken zu müssen. Auch werden wir trotz der Anhebung in den USA so schnell kein Zinsniveau erleben, wie man es noch vor der Finanzkrise gewöhnt war. Anleger müssen darüber nachdenken, wie sie mit der „neuen Normalität“ umgehen wollen, denn über festverzinsliches Sparen wird kein Vermögensaufbau möglich sein.
Doch welche Auswirkungen wird die Zinsanhebung haben? Eine mögliche Antwort liefert die momentan stattfindende „Blaupause“ in Neuseeland. Die dortige Notenbank hat seit Jahresanfang in mehreren kleinen Schritten die Zinsen angehoben. Als Folge daraus kam es zu einer Abflachung der Zinsstrukturkurve (die kurzfristigen Zinsen sind etwas gestiegen, und die langfristigen Zinsen etwas gefallen. Dies könnte dann auch in den USA so geschehen. Dort sind die Zinsen am langen Ende trotz auslaufendem QE bereits in den vergangenen Monaten leicht gefallen. Hieraus wird deutlich, warum eine breite Diversifikation auch in der Anleihequote des Portfolio von enormer Wichtigkeit ist. Eine Abflachung der Zinsstrukturkurve würde ein Engagement bei Anleihen mit mittlerer oder sogar etwas längerer Laufzeit durchaus rechtfertigen. Viele Marktteilnehmer haben sich jedoch komplett am kurzen Ende der Laufzeit und sogar mit negativer Duration positioniert.
Zusammenfassung:
Die Niedrigzinsen sorgen also weiterhin dafür, dass es immer weniger Anlagemöglichkeiten mit einem attraktiven Verhältnis zwischen Bonität und Rendite zueinander gibt. Die Suche nach attraktiven Renditen treibt die Preise vieler Vermögensanlagen nach oben und diese Entwicklung wird voraussichtlich noch einige Zeit andauern. Der Vorteil eines global denkenden Investors wird durch die Divergenz der Zinsen diesmal auch auf der Anleiheseite deutlich.
Nach einer über 5-jährigen Aktienhausse und dem Erreichen neuer Höchststände vieler Indizes ist die Wahrscheinlichkeit eines größeren Kursrückgangs mittlerweile recht hoch. Vor den negativen Effekten einer heftigen Korrektur schütz ein breit aufgestelltes Portfolio am besten. Marktkorrekturen müssen von Anleger aber auch in Zukunft immer wieder als Chance wahrgenommen werden. Getreu den Aussagen:
- „Wer nie dabei ist, wenn die Börse runtergeht, ist auch nicht dabei, wenn`s wieder raufgeht.“ (Prof. Dr. Kurt Schiltknecht)
- „ Far more money has been lost by investors preparing for corrections or trying to anticipate corrections than has been lost in corrections themselves.” (Peter Lynch (Fidelity)).
Portfolioausrichtung:
Unter Chance-Risiko-Gesichtspunkten bleibt die Aktie weiterhin erste Wahl. Aber auch bei Anleihen ergeben sich bei opportunistischer Vorgehensweise einige Chancen. Gold befindet sich jetzt ja schon bereits seit einiger Zeit auf meiner Watchlist. Aufgrund der weltweiten Niedrigzins und der sich daraus ergebenden Risiken wird die Aufstockung des Goldanteils im Portfolio als zusätzlicher Sicherheitsanker immer wahrscheinlicher.
Haftungsausschluss:
Die vorliegenden Unterlagen dienen ausschließlich der Information. Sie stellen kein Angebot und keine Aufforderung dar, Wertpapiere oder andere Finanzinstrumente zu kaufen oder zu verkaufen oder Anlageberatung oder Anlagedienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Alle hier veröffentlichten Informationen und Anlagen ersetzen keine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung!
Mit freundlichen Grüßen Sascha Knapp Dipl.-Ökonom Sascha Knapp SK Finance Consulting Marktinformationen – Unterschiedliche Wirtschaftskraft und divergierende Geldpolitik