In unsicheren Zeiten reagieren die Finanzmärkte immer mit einem Risk-off. Vermeintlich unsichere Wertpapiere (Aktien) werden verkauft. Doch die Suche nach vermeintlich „sicheren Häfen“ (insb. Staatsanleihen mit bester Bonität) fällt in einem Niedrigzinsumfeld schwer. Der Risk-off Modus wird stark durch die Reaktionen der institutionellen Anleger beeinflusst. Diese Anleger müssen aufgrund gesetzlicher Vorschriften auch gute Aktien verkaufen – auch wenn sie das eigentlich überhaupt nicht möchten. Als Privatanleger haben wir hier einen großen Vorteil, da wir diesen Restriktionen zum Glück nicht unterliegen.
Die Auswirkungen des Krieges und der Sanktionen für den Außenhandel sind überschaubar. Am stärksten ist Deutschland mit einem Exportanteil Richtung Russland in Höhe von 1,9 % betroffen. Für die EU ist der Anteil mit 1,1 % noch geringer. Die USA betreiben kaum Außenhandel mit Russland. Dies dürfte einer der Gründe dafür sein, dass der DAX kräftiger unter Druck steht, während US-Indizes weniger stark leiden.
Die Entwicklungen auf dem Rohstoffsektor stellen das wahre Risiko dar. Russland hat einen weltweiten Anteil von ca. 8 % bei der Öl- und ca. 6,5 % bei der Gas-Produktion. Wie stark die Preise bereits angezogen sind, kann jeder an der Tankstelle erkennen. Europa und vor allem Deutschland beziehen weiterhin in großem Umfang russisches Öl und Gas. Kurzfristig wird sich dies nicht einfach ersetzen lassen, so dass hier mit weiter steigenden Preisen gerechnet werden muss. Hier drohen im nächsten Winter, aufgrund der hohen Abhängigkeit, große Probleme für private Haushalte sowie die Industrie.
Bei Palladium (ca. 46 %) und Platin (ca. 15 %) ist der Anteil der russischen Exporte an der weltweiten Produktion noch höher. Platin spielt insbesondere für Brennstoffzellen und die Wasserstoffelektrolyse – und damit für mögliche Schlüsseltechnologien der Energiewende, wie z.B. Langzeitspeicher und Power-to-Gas – eine wichtige Rolle. Für Palladium gilt quasi das gleiche: In der Energiewende wird Palladium vor allem für Kondensatoren, Leiterplatten und eben auch wieder die Wasserstoffelektrolyse benötigt. Auch hier muss mit steigenden Preisen gerechnet werden. Also auch bei der zukünftig neuausgerichteten Energieversorgung wird man auf Rohstoffe aus Russland angewiesen sein.
Steigende Rohstoffpreise wirken wie eine starke Bremsung für die Konjunktur. Auch eine Rezession ist in den kommenden Monaten durchaus denkbar. Dies hat natürlich auch unmittelbaren Einfluss auf die Notenbankpolitik. Die Straffung der Zinspolitik in den USA bleibt weiterhin deutlich erkennbar, da die USA von den Auswirkungen des Krieges weniger stark betroffen sein dürfte. Jedoch bleibt es abzuwarten, ob die Fed tatsächlich 7 Zinsschritte vollzieht, wie von den Märkten eingepreist. In Europa lässt sich die Straffung der Zinspolitik weniger klar vorhersagen. Zu groß sind die aktuellen Unsicherheiten für die Konjunktur. Die Inflation ist zudem angebotsseitig verursacht und wird fast ausschließlich von den Energiepreisen getrieben. Dieses Problem kann weder die EZB noch die Fed über die Zinspolitik lösen.
Was bedeutet dies für die Geldanlage?
Aktien werden langfristig ein ganz wichtiger Bestandteil im Depot bleiben und den höchsten Renditebeitrag leisten. Denn die Zinsen werden voraussichtlich nur moderat nach oben gehen. Zugleich ist mit einer strukturell höheren Inflationsrate zurechnen. Diese Konstellation spricht für reale Werte und damit auch für Aktien. Allerdings ist die Zeit stetig und vor allem auch rasant steigender Börsen der vergangenen Jahre vorbei. Anleger, die also nur aus dem Grund in Aktien investiert sind, weil sie mit einer schnellen und einfachen Wertsteigerung rechneten, werden es zukünftig viel schwieriger haben.
Generell sollte man sich jedoch von Krisen und Kurseinbrüchen nicht zu sehr schrecken lassen. Aktienmärkte haben in der Vergangenheit nach allen Kurseinbrüchen nach einiger Zeit stets neue Allzeithochs erreicht. Ihr stärkstes Wachstum zeigten sie dabei oft unmittelbar nach einer Krise, wenn viele Anleger weiterhin zögerlich am Seitenrand stehen. Nur ein Beispiel: Nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 fiel der MSCI World auf Euro-Basis um ca. -11 %. Nur sechs Monate danach hatte der Index die Verluste nicht nur aufgeholt, sondern war um ca. +23 % gestiegen. Ähnlich verhielt es sich jüngst auch mit dem Corona-Einschnitt im Jahr 2020. Der Index verlor innerhalb kürzester Zeit ca. -20 %. In den darauffolgenden 2 Jahren legte er um ca. +40 % zu. Viele Privatanleger waren leider nicht investiert, da man zunächst einmal abwarten wollte, was aus der Unsicherheit der Pandemie wird.
Es ist ein Irrglaube von unerfahrenen Privatanlegern, dass es möglich ist Risiko zum richtigen Zeitpunkt rauszunehmen und ebenfalls wieder zum richtigen Zeitpunkt zurück ins Risiko gehen zu können. Hierfür müsste man als Anleger ständig Wetten eingehen und diese auch gewinnen – dies gelingt nur mit einer Glaskugel. Es ist schlichtweg nicht möglich den Zeitpunkt zu bestimmen, wann eine Krise anfängt und wieder wann sie wieder endet. Als Anleger muss ich deshalb die Schwankungen im Portfolio zu jederzeit aushalten können. Hier muss ich nur eine Wette eingehen: Die Welt geht nicht unter! (Exkurs: Sollte sie doch einmal untergehen, spielt die Anlage keine Rolle.)
In den kommenden Wochen (und evtl. Monaten) muss an den Aktienmärkten mit deutlich steigender Volatilität und teilweise regelrechten Zick-Zack-Börsen gerechnet werden. Es ist ein simpler, aber unglaublich effektiver Trick: Schauen Sie einfach nicht in Ihr Depot! Auch regelmäßige Sparpläne sind in solchen Phasen hilfreich und stabilisieren das Portfolio. Machen Sie sich immer eine Tatsache bewusst: Die Unternehmenswerte sind viel stabiler als die Aktienkurse! Je häufiger man sich jedoch die Schwankungen der Aktienkurse anschaut, desto unsicherer wird man.
Bleiben Sie besonnen!