Die Finanzmärkte befinden sich momentan in einem Schwebezustand. Ganz so, wie im Gedankenexperiment von Erwin Schrödinger zur Beschreibung der Quantenmechanik, in dem sich eine Katze in einer verschlossenen Box zusammen mit einem radioaktiven Zähler und einer Giftampulle befindet. Während des Experiments kann jederzeit ein Atom zerfallen, was durch den radioaktiven Zähler registriert wird und es dadurch zur Öffnung der Giftampulle kommt. Die Katze kann somit zugleich als tot, als auch lebendig angesehen werden. Erst durch das Öffnen der Box erhält man eine eindeutige Gewissheit über den Zustand der Katze. Auch die Entwicklung der Finanzmärkte lässt sich z.Zt. erst nach dem Öffnen verschiedener „Boxen“ eindeutig bestimmen.
Geldpolitik:
Die US-amerikanische Notenbank hat, wie erwartet, Ihre Anleihenkäufe um weitere 10 Mrd. US-$ gesenkt. Damit pumpt die Fed „nur“ noch 45 Mrd. US-$ pro Monat in die Märkte. Derweil flutet die japanische Notenbank die Märkte ungebremst mit billigem Geld. Die japanischen Staatsschulden belaufen sich auf 1 Billiarde Yen (eine Eins mit 15 Nullen – ca. 7,8 Billionen Euro). Damit beträgt die dortige Schuldenquote 240 % (zum Vergleich – Griechenland 176 %) und ermöglicht Japan den unangefochtenen Spitzenplatz im Ranking der Staatsschulden.
Die Flutung der Märkte mit billigem Geld hat zweifelslos den Zins als Maßstab für das Risiko ausgehebelt. Durch die niedrigen Zinsen steigt die Bereitschaft Investitionen über Kredit zu finanzieren. So ist in den USA beispielweise die Kreditvergabe (für Autos und Firmenkredite) in den vergangenen Monaten wieder deutlich angestiegen. Bedenklich ist hier insb. die Kreditvergabe an Käufer mit schlechter Bonität. Ganz so, als hätte man aus der letzten Finanzkrise nichts gelernt, werden wieder „subprime“ (zweitklassige) Kredite in beängstigendem Umfang vergeben. Der Nachfrage nach Hypothekenkrediten hingegen ist in den vergangenen Monaten wieder spürbar zurückgegangen. In den USA reagiert der Wohnimmobilienmarkt am schnellsten auf Änderungen des Zinsgefüges und stellt damit einen guten Frühindikator für die gesamte Wirtschaft dar. Auch Fed-Präsidentin Yellen hat diese Woche das große Risiko des Wohnimmobilienmarktes für die US-Wirtschaft betont.
Sachwerte (insbesondere Aktien und Immobilien) konnten in den vergangenen Jahren vom billigen Geld der Notenbanken profitieren. In einigen Bereichen sind die Kurse und Preise mittlerweile so stark angestiegen, dass hier hohe Bewertungen (evtl. sogar auch Preisblasen) vorliegen. Aber auch bei Anleihen herrscht aufgrund der Suche nach „risikoloser“ Rendite zum Teil ein beachtliches Risiko.
Unternehmensgewinne:
Obwohl etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen im S&P 500 für das 1. Quartal die Erwartungen der Analysten übertroffen haben, konnte hiervon kein neuer Impuls für die Börsen entstehen. Da die Erwartungen vieler Marktteilnehmer für das 2. Quartal weiterhin recht hoch sind, steigt die Wahrscheinlichkeit von Enttäuschungen. Deutlich zu erkennen ist, dass schwächere Unternehmensergebnisse bereits jetzt wieder abgestraft werden. Dies war in den vergangenen Jahren so gut wie nie der Fall. Der Fokus der Investoren rückt also wieder stärker auf die Konjunktur und die Unternehmensgewinne.
Währungspolitik:
Seit Monaten kommt immer wieder die Frage auf: „Droht ein neuer Währungskrieg oder läuft er sogar schon?“ Im Prinzip ist er wohl schon im Gange. Die USA werten den Dollar bereits seit ca. 10 Jahren ab. Die Japaner haben vor einiger Zeit mit einer massiven Abwertung ihrer Währung begonnen (Stichwort: „Abenomics“).
Länder versuchen Ihre Wettbewerbsfähigkeit über eine Abwertung der eigenen Währung zu stärken. Dadurch werden die Produkte auf dem Weltmarkt günstiger, die eigenen Exporte steigen und auch die Inlandsnachfrage nach den heimischen Produkten steigt durch die Verteuerung der Importwaren. Die seit vielen Jahren zu beobachtende Aufwertung der staatlich gelenkten chinesischen Währung (Renminbi) gegenüber dem US-Dollar hat sich seit Beginn des Jahres umgekehrt. Viele Experten erwarten jetzt sogar eine langfristige Abwertung der chinesischen Währung, um wieder stärker wettbewerbsfähig zu sein. Auch in Europa (insb. von Frankreich und einigen Peripherieländer) werden die Stimmen für eine Abwertung des Euro lauter. Sogar Bundesbankpräsident Weidmann äußert sich mittlerweile positiv für „Quantitativ Easing“ Schritte der EZB. Die gestrige Notenbanksitzung hat dies nochmals verdeutlicht und die bloße Ankündigung von Maßnahmen gegen den zu starken Euro ließ den Kurs schwächeln.
China:
Rund 9 Billionen US-Dollar beträgt das Bruttoinlandsprodukt der Chinesen mittlerweile – zweieinhalb Mal so viel wie das der Deutschen. Die Bedeutung Chinas für die Weltkonjunktur ist deshalb gewaltig.
Die massiven Kapitalzuflüsse des vergangenen Jahrzehnts haben in China zu starken Verwerfungen geführt. Das Hauptproblem dürfte die Immobilienblase in weiten Teilen des Landes sein. Die Kreditvergabe (über Banken und sog. Schattenbanken) ist dem Wirtschaftswachstum enteilt. Gerade das Schattenbankwesen in Form sog. „Trusts“ bereitet hier einiges an Kopfzerbrechen. Hier glauben die chinesischen Anleger eine Rendite über dem gesetzlich festgelegten Höchstzins erzielen zu können und gehen gleichzeitig fest davon aus, dass die Regierung einspringt, wenn der Schuldner Pleite geht. Dies führt zwangsläufig zu einem „Moral Hazard“-Verhalten der Anleger.
Ein kreditfinanzierter Wachstumsboom muss irgendwann zwangsläufig enden. Hierzu hat China verschiedene Möglichkeiten. Kleinere „Trusts“ werden jetzt nicht mehr auf jeden Fall gerettet, Kapitalverkehrskontrollen, hohe Währungsreserven und auch die Abwertung des Renminbi könnten helfen hier einen behutsameren Kreditabbau zu bewerkstelligen, als seinerseits in den USA oder Spanien.
Sentiment:
Die durch das Tapering verursachten steigenden Renditen im langfristigen US Anleihemarkt (im Vergleich zu den Ständen im Herbst 2012 liegt die Rendite für 30-jährige US-Staatsanleihen heute knapp 1,5 % über ihrem damaligen Niveau) veranlassen viele Marktteilnehmer ihr Geld in die vermeintlich sicheren Anleihen zu investieren. Steigende Zinsen sind Gift für die Börsen.
Bisher wurde der Ukraine Konflikt an den Börsen fast komplett ignoriert. Die dortige Krise hat bei vielen Börsenbriefen zwar zu einer leichten Eintrübung der Stimmung geführt, jedoch ist die überwiegende Mehrheit weiterhin sehr positiv für Aktien. Die Erwartung weiter steigender Aktienkurse bei einer Vielzahl von Marktteilnehmern kann sehr gefährlich sein.
Zusammenfassung:
Das Kapitalmarktumfeld hat sich zuletzt eingetrübt. Es gibt viele Marktfaktoren, die sich z.Zt. gegenseitig neutralisieren. Eine eindeutige Tendenz ist nicht zu erkennen. Positiv betrachtet könnte es sich lediglich um eine Verschnaufpause vor dem Erklimmen neuer Höhen handeln. Negativ betrachtet könnte es an der Nichterfüllung zu hoher Erwartungen liegen und somit Potential für eine Korrektur bestehen. Die Geldpolitik dürfte noch eine ganze Weile expansiv bleiben. Davon dürften Sachwerte weiterhin profitieren. Es gilt aber Chancen und Risiken richtig abzuwägen.
Portfolioausrichtung:
Ein gut diversifiziertes Portfolio ist in der momentanen Situation wichtiger denn je. Da diese Strategie ohnehin immer in allen Depots umgesetzt wird, müssen wir nur wenige kleine Änderungen vornehmen. Der Einbau von weiteren Absolute Return Strategien, das in den letzten Jahren abgestrafte Gold und auch die unbeliebt gewordenen Aktien aus den Emerging Markets könnten die Risk-Reward Position der Portfolien noch weiter verbessern. Wieder einmal gilt die alte Börsenweisheit „Die letzten werden die ersten sein!“ Seit Jahresanfang zeigen die beiden letztgenannten Assetkategorien positive Tendenzen. Als Value Investor gilt es dort hinzuschauen, wo es in den vergangenen Jahren überwiegend schlechte Nachrichten zu vermelden gab.
Haftungsausschluss:
Die vorliegenden Unterlagen dienen ausschließlich der Information. Sie stellen kein Angebot und keine Aufforderung dar, Wertpapiere oder andere Finanzinstrumente zu kaufen oder zu verkaufen oder Anlageberatung oder Anlagedienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Alle hier veröffentlichten Informationen und Anlagen ersetzen keine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung!
Mit besten Grüßen Sascha Knapp
Dipl.-Ökonom Sascha Knapp SK Finance Consulting